35. Annehmen, was ist – der Nährboden für neue zarte Vertrauenspflänzchen


Bei Mari – ein Gespräch vor Beginn des Spiels über Vertrauen, auch bei möglichen Strafen 

Heute war Mari wieder einmal sehr nervös. Sie hatte einen schweren Traum von einer Bestrafungssituation gehabt, in der sie noch ein Kind war. Der erinnerte sie an eine etwas zurückliegende Sitzung mit Joel in einem ihrer Machtspiele, in denen er die Rolle eines Meisters für sie verkörperte. In diesem Spiel hatte es aufgrund einer  Regelübertretung zum ersten Mal eine Strafe für Mari gegeben hatte. Zugegeben – das war keine wirklich Strafe, eher ein leicht auszusprechendes Bekenntnis, aber seit dem wusste sie, dass weitere Sanktionen folgen würden.

Wie bisher jedes Mal war Joel in seiner Meisterrolle verständnisvoll, unterstützend und dennoch konsequent mit seiner Spielgefährtin, die die Rolle der Schülerin einnahm, umgegangen und hatte ihr erklärt, dass in ihrer besonderen Situation die Strafe dazu dienen sollte, ihr ein Gefühl von Ausgleich zu vermitteln und neue, gute Erfahrungen mit den kleinen Fehlern, die ihr hier unterliefen, zu machen. Als Kind hatte sie nach jeder kleinen Unachtsamkeit lange gelitten und hatte keine Ausgleichsmöglichkeiten bekommen und kein Wort, das ihr damals den Druck hätte nehmen können. Jetzt hier mit dem Meister konnte sie durch das Annehmen einer (von ihm sehr behutsam ausgewählten) Strafe dafür sorgen, dass sie nach ihrem „Fehltritt“ keinerlei Unzulänglichkeitsgefühle oder gar schlechtes Gewissen mit sich herum tragen mußte. Denn dies war eines der Relikte aus ihrer Kindheit, das sie am meisten belastete. Im Kopf hatte sie inzwischen einiges verstanden, das reichte aber nicht aus, um tiefgreifende Veränderungen zu bewirken, dazu bedurfte es wiederholter Erfahrungen, die sie mit ihre Sinnen erleben musste. Dazu sollten unter anderem diese Art sorgfältig ausgewählter Sanktionen dienen und, wie er hoffte, eine heilende Wirkung entfalten. 

Dennoch… als sie erfuhr, dass Regelübertretungen künftig diese Folgen trugen, steigerte sich ihre ängstliche Beklommenheit zunächst noch. Joel war allerdings zuversichtlich, dass sich das mit der Zeit geben würde, nachdem sie erste Erfahrungen mit seiner Art zu strafen gemacht hatte.

So kam es, dass Mari heute vor dem Besuch Joels noch nervöser war als sonst. 

Bevor er das Spiel begann, gab er ihr noch eine Gelegenheit anzusprechen, was sie belastete: „Möchtest du noch etwas loswerden, bevor wir starten, Mari?““

„Ich bin heute noch aufgeregter als sonst –  habe Angst, etwas falsch zu machen, aber ich glaube das weißt du schon…“, bekannte Mari leise.

„Warum hast du Angst, etwas falsch zu machen?“

„Weil mir das nun noch unangenehmer ist, seit ich weiß, dass ich dann von dir bestraft werde.“

„Aber das würde ja auch bedeuten, du hättest Angst vor mir. Habe ich dir jemand Anlass dafür gegeben?“

„Das ist ganz seltsam Joel, sobald das Spiel beginnt, habe ich nicht mehr das gleiche Gefühl zu dir, wie ich es davor oder danach habe. Die Autorität, die der Meister ausstrahlt, hat immer auch etwas leicht Beängstigendes für mich.“

„Hmm, ja ich weiß.  Sag  mal, hat der Meister eigentlich je etwas getan, das deine Angst rechtfertigt… etwas, vor dem du dich fürchten musst? Hat er nicht immer Verständnis und Augenmaß bewiesen und dich nie überfordert, Mari?“ fragte Joel ruhig.

„Er hat mir bisher nichts wirklich getan, das stimmt… Vielleicht liegt dieses Gefühl von Angst in seiner Rolle an sich und in der Ungewissheit der Aufgaben begründet“, überlegte Mari, „und dass es ab jetzt Strafen geben wird, das macht mir große Angst!“

„Ich bin ganz zuversichtlich, dass dein Vertrauen auch zu mir als Meister mit der Zeit wachsen wird.“ Joel lächelte Mari freundlich an.

„Es tut mir leid, Joel, dass mein Gefühl da nicht so hinterher kommt, wie es passend und gut wäre. Ich schäme mich, dass mein Vertrauen so dünn ist und dass ich oft so schwierige Gefühle habe“, bekannte Mari.

„Mari, dir braucht nichts leid zu tun, und erst recht brauchst du dich nicht zu schämen! Wir wissen beide, welche komplexen Hintergründe deine Ängste haben. Wenn es einfach wäre, bräuchten wir keine Spiele dafür!“

„Ich habe einfach Angst, dass das zu lange dauert bei mir und dass du genervt oder sauer werden könntest“, erklärte Mari. 

„Nein, ich bin nicht sauer und auch nicht genervt, überhaupt nicht, warum auch, du hast doch nichts Schlimmes getan, überhaupt nichts!“

„Na ich dachte, weil du ja Recht hast damit, dass der Meister bisher immer achtsam und angemessen mit mir und meinen Gefühlen umgegangen ist, hätte er mehr Vertrauen verdient! Ich kann es aber leider noch nicht so fühlen!“

„Aber Mari, deswegen gibt es den Meister doch überhaupt, weil dir das Vertrauen schwer fällt und du es mit ihm üben möchtest.“

 Mari musste ein bisschen lachen, „ja, so gesehen hast du schon Recht…“

„Siehst du…“ herzhaft stimmte Joel in ihr Lachen mit ein,

Dankbar nickte Mari
Er ist nicht ungeduldig oder gar sauer, weil mir das mit dem Vertrauen noch nicht so gelingt,
 dachte sie befreit. 
Es war so wohltuend, dass Joel sie so annehmen konnte wie sie war.  Nur so konnte das zarte Pflänzchen des Vertrauens langsam wachsen…

Sein freundliches Annehmen war der Nährboden für das Gedeihen des bereits vorhandenen, noch sehr zarten Vertrauenspflänzchens und derer, die noch hinzu kommen würden…

Dieses Kapitel wurde gemeinsam geschrieben von Rafael und Miriam

Zum nächsten Kapitel: –> 36. Wie durch eine besondere Art des „Strafens“ Vertrauen wachsen kann

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